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Nach anfänglichem Zögern haben Kliniken Social Media für sich entdeckt. Davon profitieren sie selbst, aber vor allem auch Patienten. So zeigt eine aktuelle Online-Befragung von 500 Personen, dass bei der Kliniksuche verstärkt auf Facebook, Twitter und Co. gesetzt wird.
Jahr für Jahr benötigen mehr als zehn Millionen Menschen eine stationäre Behandlung. Laura Schwarzien wollte genauer wissen, wie Betroffene vorgehen, um eine Klinik zu finden. Sie untersuchte im Rahmen einer Masterarbeit die Kommunikation zwischen Patienten und Krankenhäusern in sozialen Netzwerken „Die Faszination für soziale Medien und deren Einsatz als Marketinginstrumente war Teil meines Studiums an der Hochschule der Medien“, erzählt Schwarzien. Erstellt hat sie ihre Masterarbeit in Kooperation mit der auf den Healthcaremarkt spezialisierten Kommunikationsagentur antwerpes: „Ich bin dankbar für die Unterstützung, insbesondere im empirischen Teil meiner Arbeit, so konnte ich mit validen und repräsentativen Daten arbeiten“.
Facebook – der Spitzenreiter
Über eine Online-Befragung gewann die Forscherin Daten von 501 Personen verschiedener Altersgruppen. Ihre erste Erkenntnis: Besonders häufig loggen sich User bei Facebook ein (84 Prozent), andere Tools wie Google+ (24 Prozent), Twitter (14 Prozent) oder LinkedIn (drei Prozent) sind weit abgeschlagen. Von den Facebook-Usern sehen sich 31 Prozent täglich in ihrem Netz um, und 37 Prozent sogar mehrmals am Tag, während 26 Prozent täglich und 19 Prozent mehrmals täglich twittern. Mehrfachnennungen waren, wie auch bei weiteren Antworten, möglich. Die klassische Web-Recherche über Suchmaschinen hat aber noch lange nicht ausgedient.
Sprechstunde bei Doktor Web
Bereits vor einem Jahr berichtete der Branchenverband BITKOM, dass 28 Millionen Bundesbürger Wissen rund um Diagnostik, Therapie und Prävention im Netz suchen. Laura Schwarzien hat dies mit ihrer Masterarbeit bestätigt – 83 Prozent der Befragten informierten sich zuerst online, dann folgten Arzt (70 Prozent), Apotheker (45 Prozent) und Freunde beziehungsweise Bekannte (44 Prozent). Apps spielen mit sechs Prozent keine Rolle – noch nicht, ist hier zu vermuten. Interessant sind auch die Themen, für die sich User diverser Online-Medien interessieren. Das Spektrum reicht von Krankheitsbildern und Behandlungsmethoden (69 Prozent) über Arzneimittel (62 Prozent) bis hin zu Tipps von anderen Patienten (51 Prozent). Bei der Auswahl einer Klinik setzen viele Patienten allerdings immer noch ganz traditionell auf ihren Arzt (70 Prozent) oder suchen schlicht und ergreifend wohnortnahe Einrichtungen (24 Prozent). Dahinter steckt ein gewaltiger Wachstumsmarkt für die Gesundheitsbranche, um potenzielle Kunden künftig besser zu erreichen und die eigene Marke zu etablieren.
Klasse statt Masse
Gerade im Gesundheitsbereich geht noch viel über Empfehlungen von Freunden und Bekannten – und genau dieser Austausch wird laut Schwarzien immer mehr über Social Media ablaufen. Momentan ist die Sache noch recht dürftig: Unter Qualitätsaspekten steht laut Verbraucherschützern die „weisse Liste“ an erster Stelle, ein Projekt der Bertelsmann-Stiftung. In entsprechenden Datenbanken sind Angaben zu Krankenhäusern, die regelmäßig Qualitätsberichte veröffentlichen müssen, abrufbar. Schwarzien stellt fest, dass Schnittstellen zu Social Media durchaus sinnvoll wären – momentan befragen Kassen zwar ihre Patienten, das ließe sich aber vereinfachen: Über einen eigenen Reiter der „weissen Liste“ könnten Bewertungen direkt auf eine Facebook-Seite gelangen. Und Patienten, die mit einer Behandlung zufrieden sind (47 Prozent) beziehungsweise weitere Informationen benötigen (22 Prozent), wären durchaus bereit, Fan auf Facebook zu werden. Soweit, so gut, allerdings kennen 90 Prozent der Befragten keine Klinik, die bei diesem Netzwerk überhaupt aktiv ist. Und lediglich zwei Prozent haben vor oder nach ihrem stationären Aufenthalt gezielt Social-Media-Präsenzen der jeweiligen Einrichtung besucht. Dennoch halten 44 Prozent entsprechende Medien generell für sinnvoll, und 45 Prozent räumen diesen Tools in Zukunft ein gewisses Maß an Bedeutung ein. User interessieren sich für Fachgebiete, Kompetenz, Hygiene, Ausstattung, Service und natürlich Verpflegung. Nicht ohne Grund: „Wir befinden uns meist in einer vollständig unbekannten und auch verunsichernden Ausnahmesituation, wenn wir zum ersten Mal eine Klinik aufsuchen“, erklärt Schwarzien. „Hier können soziale Medien dazu beitragen, die Distanz zwischen Patient und Institution beziehungsweise Patient und der Medizin zu verringern.“ Der Arbeitsauftrag ist klar, und immer mehr Häuser arbeiten an Social-Media-Präsenzen – mit unterschiedlichem Erfolg.
Unterwegs auf allen Kanälen
Entschließt sich eine Klink, neue Wege der Kommunikation zu wagen, sollte sie eines im Blick behalten: ihre Zielgruppe. Lieblos in Facebook kopierte Pressemitteilungen oder für Patienten völlig irrelevante Personalien schrecken genauso ab wie hochtrabende Fachtexte – leider keine Seltenheit. Laura Schwarzien weiß, wie es richtig funktioniert: „Die Verknüpfung mit Kanälen wie YouTube ist eine sinnvolle Strategie, ebenso wie die Verknüpfung mit der Website und Publikationen. Im besten Fall ist es aber die Verbindung von sozialen Medien mit Aktionen, die tatsächlich im Klinikalltag stattfinden.“
Neidvolle Blicke auf die Mayo-Kliniken
Wie sich verschiedene Online-Kanäle bespielen lassen, zeigen die amerikanischen Mayo-Kliniken. Hier informiert ein inhaltlich und graphisch durchdachter Facebook-Auftritt Patienten über diverse Krankheitsbilder, und Interessierte erleben durch klassisches „Storytelling“, wie Ärzte ihren Patienten helfen konnten: Die Geschichte von Sean Bretz, einem 24-jährigen Techniker bei der United States Coast Guard, verfolgen User wahlweise über einen Blog, über Flickr oder Youtube – je nachdem, welches Medium sie bevorzugen. Bretz hatte aufgrund eines Aneurysmas massive Gehirnblutungen erlitten und konnte das Krankenhaus Anfang Juli in guter Verfassung wieder verlassen. Eine kurze Erklärung über innovative Therapieverfahren – für Laien, wohlgemerkt – ergänzt das Paket. Wer erst einmal im Youtube-Channel gelandet ist, findet darüber hinaus etliche Videos zu Krankheitsbildern, zur Anreise, zum Ambiente der Mayo-Klinik sowie zu Geschichten über Patienten. Menschen identifizieren sich stark mit Schicksalen und beginnen, die Arbeit der Klinik zu schätzen. Parallel haben sie in Communites Gelegenheit, ihre eigene Krankengeschichte zu teilen und mit anderen Usern zu diskutieren. „Die unterschiedlichen Möglichkeiten und Ansprüche der Medien müssen bei der Konzeption berücksichtigt werden, genau wie die Frage: Was erwarten meine Kunden beziehungsweise Patienten, wenn sie Social-Media-Kanäle meiner Klinik nutzen?“, erklärt Laura Schwarzien.
Um hier ein hohes Niveau zu erreichen, heißt es für so manche Einrichtung, viel Zeit und Geld zu investieren – sicher gut angelegt in einem Markt, der immer mehr auf die aktive Rolle von Patienten setzt.
Michael van den Heuvel
Bei Interesse an weiteren Informationen zur Umfrage beziehungsweise der Masterarbeit von Laura Schwarzien wenden Sie sich bitte an Nicole Tappée (nicole.tappee@antwerpes.com).
Quellen:
www.bitkom.org/de/markt_statistik/64026_69111.aspx
www.weisse-liste.de/
www.jmir.org/2012/3/e61/
www.facebook.com/MayoClinic
mayocl.in/HisIndependence
flic.kr/s/aHsjAoNhns
youtu.be/qhWU0Gib4Z4
www.youtube.com/watch?v=Lirwu3b1_dw
www.youtube.com/user/mayoclinic
www.mayoclinic.org/connect/?wt.srch=1&wt.mc_id=brand&campaign=sitebanner
Abbildungen:
“Social Med – Wie kommunizieren Kliniken und Patienten in sozialen Medien? Anamnese, Diagnose, Therapieansätze”, Masterarbeit von Laura Schwarzien, Stuttgart 2012
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