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Social Media? Ganz Recht!

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Die Gesetze der analogen Welt gelten ebenso in der digitalen Welt. Für die Nutzung von Social Media ist es vor allem für Unternehmen aus der Pharmabranche wichtig, die rechtlichen Stolpersteine im Netz zu kennen. Denn es ist wichtig, zwischen Erlaubtem und Verbotenem unterscheiden zu können.

Google, Facebook, YouTube – diese Webseiten werden in ebendieser Reihenfolge weltweit am häufigsten angeklickt. Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands Medizintechnologie e.V. (BVMed) zeigt jedoch, dass Medizinproduktehersteller bei der Nutzung von so genannten Social Media eher zurückhaltend sind. Ist diese Zurückhaltung begründet? Oder ist die Nutzung von Social Media, insbesondere der Plattformen Facebook und YouTube, auch für pharmazeutische Unternehmen ein gangbarer Weg?

Social Media – Chancen und Risiken

Social Media zeichnen sich dadurch aus, dass ein Informations- und Gedankenaustausch zwischen den Nutzern zustande kommt und somit der Inhalt nutzergeneriert ist. Der Vorteil, etwa gegenüber Printmedien, besteht für denjenigen, der die Plattform zum Austausch bereitstellt, in erster Linie darin, dass auf schnellem Wege ein breites Publikum erreicht werden kann. Die Nutzerzahlen von Facebook mit rund 874 Millionen Nutzern weltweit und etwa 23,7 Millionen deutschlandweit, quer durch alle gesellschaftlichen Schichten, sprechen für sich. Das Veröffentlichen von Kommentaren, sei es auf der Facebook-Pinnwand oder bei anderen öffentlichen Gästebüchern vergleichbaren Plattformen, birgt indes auch tatsächliche und rechtliche Risiken. Leidvolle Erfahrungen mussten im vergangenen Jahr etwa Sanofi Aventis und Glaxo Smith Kline machen. Beide Unternehmen wurden mehrfach Opfer so genannter virtueller Flashmobs: Patienteninitiativen riefen dazu auf, die Facebook-Gästebücher der Konzerne mit kritischen Fragen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten zu fluten.

Social Media und die Gesetze

Aus rechtlicher Sicht sind im Zusammenhang mit der Nutzung von Social Media im pharmazeutischen Bereich eine Reihe gesetzlicher Vorschriften zu berücksichtigen: darunter das Bundesdatenschutzgesetz, das Telemediengesetz (TMG), das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und insbesondere das Heilmittelwerbegesetz (HWG) und das Arzneimittelgesetz (AMG).

Ist geplant, Social Media in der Kommunikation für Produkte oder Anwendungen einzusetzen, so sind pharmazeutische Unternehmen durch das HWG stark beschränkt. Ausgangspunkt für die Beurteilung, ob es sich bei der Kommunikation überhaupt um Werbung handelt, ist eine sehr weite gesetzliche Definition des Begriffs. Alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern, werden als Werbung für Arzneimittel eingestuft. Dabei kommt es nicht notwendig darauf an, wer die werblichen Aussagen trifft. So entschied der EuGH, dass eine von einem Dritten vorgenommene Verbreitung von Informationen über ein Arzneimittel (in der Entscheidung war es ein Journalist), namentlich über dessen heilende oder verhütende Eigenschaften auch dann als Werbung anzusehen ist, wenn dieser Dritte aus eigenem Antrieb und in völliger – rechtlicher und tatsächlicher – Unabhängigkeit vom Hersteller oder Verkäufer handelt. Diesen Aspekt sollten pharmazeutische Unternehmen bei der Nutzung von Social Media immer berücksichtigen.

Imagewerbung ist erlaubt

Das HWG gilt ferner nur für die produktbezogene nicht aber für die unternehmensbezogene Werbung. Das heißt, Imagewerbung, zum Beispiel durch das Einrichten einer Facebook-Unternehmensseite oder das Einstellen eines Videos bei YouTube mit rein unternehmensbezogenen Informationen, ist rechtlich zulässig und fällt nicht in den Anwendungsbereich des HWG. Kurze Videos eignen sich beispielsweise gut, um allgemein über Herstellung, Forschung oder Entwicklung von Arzneimitteln zu informieren oder Gesundheitsaufklärung zu betreiben. Selbstverständlich darf auch die Imagewerbung nicht irreführend sein.

Kontrollierter Umgang mit User-Feedback

Indes wird sich das pharmazeutische Unternehmen im Hinblick auf die nachfolgende öffentlich einsehbare Kommunikation durch die Nutzer stets mit § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 HWG (Werbung mit Äußerungen Dritter) konfrontiert sehen. Diese Regelung zielt darauf ab, der abstrakten Gefahr einer Irreführung entgegenzuwirken, da diese bei einer Publikumswerbung, also außerhalb der Fachkreise, mit Mitteilungen der Erfahrungen von Leidensgenossen besonders groß ist. Das heißt, jeder positive Kommentar in einer öffentlichen Plattform birgt grundsätzlich die Gefahr, dass er von Werbeadressaten als besonders glaubwürdig betrachtet wird. Außerdem erscheinen die Kommentatoren vom Werbenden unabhängig, so dass Patienten auf ein objektives Urteil schließen. Dieses Irreführungspotential muss das pharmazeutische Unternehmen ernst nehmen und durch entsprechende Maßnahmen ausschließen.

Inzwischen besteht nicht mehr die Möglichkeit, die Kommentarfunktion bei der Facebook-Nutzung gänzlich durch Voreinstellungen zu unterbinden. Es ist aber nach wie vor möglich, Einträge zu löschen. Dies macht insbesondere für pharmazeutische Unternehmen eine durchgehende Überwachung der Kommentare erforderlich. Ein Beispiel für diese Art der Facebook-Nutzung ist die Seite von Pfizer. Pfizer informiert die Seitennutzer vorab darüber, sich die Löschung von Kommentaren aus verschiedenen Gründen vorzubehalten.

Social Media und die Nebenwirkungen

Facebook und andere Social Media bieten den einzelnen Nutzern die Möglichkeit, sich in Gruppen oder Foren etwa zu Gesundheitsthemen oder Fragen der Selbsthilfe zu organisieren. Dies kann im wahrsten Sinne des Wortes auch Nebenwirkungen nach sich ziehen, z. B. wenn auf Pinnwänden über gesundheitliche Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit Arzneimitteln gesprochen wird. Schon seit einigen Jahren versuchen die europäischen Mitgliedsstaaten einen Prozess festzulegen, in welcher Weise diese Berichte vom pharmazeutischen Unternehmer untersucht und gemeldet werden müssen. Unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Arzneimittelsicherheit werden zum einen direkten Berichten von Patienten immer mehr Bedeutung beigemessen, zum anderen stellt die Meldepflicht die pharmazeutischen Unternehmen aber vor erhebliche Probleme im Hinblick auf die Anonymität des Netzes, die Fülle der Berichte und die Grenzen der Meldepflichten. Pharmazeutische Unternehmen, aber auch Gruppen oder Foren, sollten sich daher frühzeitig technische Lösungen überlegen, um Personen, die ernsthaft über Nebenwirkungen berichten wollen, eine entsprechende Nutzeroberfläche anzubieten. Dies wird für pharmazeutische Unternehmer aktuell in Modul VI der „Good Vigilance Practices“ (GVP) Dokumente gefordert, welches sich mit der Überwachung und Meldung von Nebenwirkungen beschäftigt.

Studienteilnehmer gesucht

Selbstverständlich eignen sich die Social Media grundsätzlich auch, um Nutzer auf die mögliche Teilnahme an wissenschaftlichen Studien aufmerksam zu machen. Die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für eine solche Information sind nach wie vor sehr unübersichtlich und bruchstückhaft. Handelt es sich um eine geplante klinische Prüfung mit Arzneimitteln im Sinne der §§ 40 ff. AMG, muss dafür Sorge getragen werden, dass die bloße Information über die klinische Prüfung nicht zu einer verbotenen Werbung für ein nicht zugelassenes Arzneimittel führt (§ 3a HWG). Auch wenn dies vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, empfiehlt sich ferner die vorherige Bewertung der Information über die Studienteilnahme durch eine zuständige Ethikkommission. Es muss zugleich auch das ärztliche Berufsrecht berücksichtigt werden, da die Zuweisung von Patienten zu bestimmten Ärzten nicht zulässig ist. Und schließlich ist bei der Kontaktaufnahme und Übertragung von Daten der Datenschutz strikt einzuhalten, da es sich bei gesundheits- bzw. krankheitsbezogenen Daten um besonders sensible Daten handelt.

Dr. Heike Wachenhausen und Susanna Dienemann, LL.M., Kanzlei Lützeler Klümper Wachenhausen, Lübeck

 


Quellen:

  • Alexa, Internetinformationsdienst, abrufbar unter: http://www.alexa.com/search?q=facebook+&r=home_home&p=bigtop, Stand: 26.07.2012.
  • BVMed, Pressemitteilung vom 5.06.2012.
  • allFacebook.de, Facebook Nutzerdaten, Stand 23.07.2012, http://www.allfacebook.de/userdata/.
  • Fuest, Pharmafirmen fliehen aus sozialen Medien, Welt am Sonntag, Artikel vom 28.08.2011, abrufbar unter: http://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article13569735/Pharmafirmen-fliehen-aus-sozialen-Medien.html.
  • Facebook erhebt von Nutzern beim Besuch von Facebook-Fanseiten und beim Anklicken des Like-it-buttons, installiert als Social Plug-in auf Seiten Dritter, personenbezogene Daten nach § 3 Abs. 1 BDSG.
  • Nach § 5 TMG besteht bei Facebook Fanseiten eine Impressumpflicht, LG Aschaffenburg, Urteil vom 19.08.2011, Az. 2 HK O 54/11.
  • Art. 86 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (Humanarzneimittelkodex), ABl. L 311 vom 28.11,2001, S. 67.
  • Damgaard, Urteil vom 2.04 2009, C-241/07.
  • Doepner, Heilmittelwerberecht, § 11 Abs. 1 Nr.11 n 4.
  • Bislang ist das Kriterium der Irreführung nicht im Gesetzeswortlaut enthalten. Nach dem Gintec Urteil des EuGH (8.11.2007, C-374/05) ist das Gesetz im Sinne des Art. 90 Buchst. j) Humanarzneimittelkodex bis zu einer Anpassung des nationalen Rechts zu lesen. Eine Anpassung ist in der sog. 16. AMG-Novelle vorgesehen.
  • Dies war früher möglich: vgl. http://www.washingtonpost.com/national/health-science/pharmaceutical-companies-lose-protections-on-facebook-decide-to-close-pages/2011/07/22/gIQATQGFBJ_story.html
  • Guideline on good pharmacovigilance practices (GVP), Module VI – Management and reporting of adverse reactions to medicinal products.

Veröffentlicht: 3. August 2012 // nicoletappee


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