Creative Output
Das Medflix-Prinzip
Mit Curated Content zu besserer Performance von Inhalten
Netflix ist Meister darin, Nutzer auf seiner Plattform zu bannen und süchtig nach Inhalten zu machen. Dasselbe wollen wir mit medizinischen Fachkreisinhalten erreichen, wir möchten von den Besten lernen. Doch lässt sich das „Netflix-Prinzip“ so einfach übertragen? Welche Daten benötigen wir dazu und welcher Mechanismen zur Kuratierung und Individualisierung von Inhalten müssen wir uns dazu bedienen?
Fangen wir von vorne an: Pharma- und Healthcare-Unternehmen suchen nach immer raffinierteren und besseren Wegen, um mit einer ihrer wichtigsten direkten Zielgruppen, den Ärzten, in Kontakt zu kommen. „Besser“ im Sinne von „relevanter“. Denn nichts ist schlimmer als auf Reaktanz seitens der Ärzte zu stoßen, zumindest aus Sicht der Pharmaunternehmen. Deshalb ist es entscheidend, über eine Datenlage zu verfügen, die es zulässt, den eigenen Zielgruppen möglichst nur das zu „servieren“, was sie auch interessiert und sie bei der täglichen Arbeit unterstützt. So wie Netflix seine User nur mit solchen Serien konfrontiert, die für sie passend und möglichst relevant sind.
Im Multichannel-Marketing der letzten Jahre ging es immer darum, möglichst viele, unterschiedliche Kanäle zu nutzen, um einen hohen Prozentsatz der Zielgruppe zu erreichen. Oft wurde jedoch der Fehler gemacht, immer wieder dieselbe Botschaft über alle Kanäle auszusenden. In der Weiterentwicklung von Multichannel, Multipipe genannt, steht die Botschaft abgestimmt auf Kanal und vor allem abgestimmt auf eine Usergruppe im Fokus. Dennoch war die Datenbasis nicht immer optimal – so dass Kampagnen auch nicht immer optimal laufen konnten.
Mit anderen Worten: Die zugrundeliegenden Daten werden zukünftig entscheidend dafür sein, wenn es um die erzielte Akzeptanz oder Reaktanz beim Arzt geht. Daten, die in Silos gehalten und nicht allen Stakeholdern zur Verfügung stehen, werden sich mehr und mehr als nutzlos erweisen – maximal dazu geeignet, Einzelmaßnahmen durchzuführen. Ziel muss es jedoch sein, ein möglichst umfassendes Bild aller Zielpersonen zu erstellen und daraufhin spezifische Maßnahmen zu entwickeln.
Keep it personal
Um diesem Ziel näherzukommen, ist eine CDP erforderlich, eine „Customer Data Platform“. Hierbei handelt es sich um eine zentrale Datenbank, die alle Daten aus allen Touchpoints aggregiert, aufbereitet und sie mittels Schnittstellen zur Verfügung stellt.
Mit „allen Touchpoints“ sind wirklich alle gemeint, auch Kongressbesuche, Mailings, Außendienstgespräche, E-Mails, Web Interaktionen und andere im Marketing eingesetzten Mittel – die Reihe lässt sich beliebig fortführen. CDPs sind natürlich nicht einfach nur Datenbanken. Mit ihnen können auch KPI-Messungen vorgenommen werden, genauso wie Visual Analytics, Predictive Modeling oder Content-Shaping und -Marketing. Werden CDPs zusätzlich mit Künstlicher Intelligenz ausgestattet, können viele Multichannel- und Marketing-Prozesse völlig automatisiert ablaufen. Von der Selektion bestimmter Zielpersonen bis hin zum Versand des für eine einzelne Person geeigneten Inhaltes.
CDPs werden so zu zentralen Hubs, die Daten nicht nur sammeln, sondern auch teilen. Die geteilten Daten dienen wiederum dazu, mehr über die eigenen Zielgruppen zu lernen und einen immer besseren Service zu bieten.
Das Medflix-Prinzip ist ein wichtiger Meilenstein auf diesem Datenweg.
Was macht Netflix aus?
Doch schauen wir uns das Original etwas genauer an: Was macht Netflix eigentlich aus?
1,8 Sekunden, so hat Netflix errechnet, bleiben einem Film, um den User zum Anschauen zu bewegen. Das Vorschaubild der Filme wurde hier als wichtigster Überzeugungsfaktor ausgemacht. Für den Perfect Match sucht eine KI aus Filmeinzelbildern automatisiert und anhand von User-Präferenzen das Bild heraus, das den User mit der größten Wahrscheinlichkeit anspricht.
Vielleicht ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass Netflix-Nutzer für denselben Film oft verschiedene Vorschaubilder erhalten. Zum Beispiel präsentiert sich der Film „Good Will Hunting“ einem romantisch veranlagten User mit einer Kussszene, einem Fan von Komödien lächelt Robin Williams entgegen.
Ärzte wollen medflixen
Die Fachkreiszielgruppe wird kontinuierlich jünger und umgibt sich privat mit immer ausgefeilteren Services. Netflix, Uber, Lime oder Amazon stehen genau dafür. Statische Websites, die mit Launch eine Handvoll Inhalte bereitstellen und bestenfalls monatlich mit neuem Content aufwarten, müssen überdacht oder entfernt werden. Auch die klassische Webseiten-Navigation, von der Startseite, über Verteilerseite bis zur gewünschten Inhaltsseite, hat weitestgehend ausgedient. Und solange eine Webseite nicht dem direkten Abverkauf eines Produktes dient, was im Pharmamarkt selten ist, dreht sich der Wettbewerb im Netz einzig und alleine um die Aufmerksamkeit, die Verweil- und Nutzungsdauer des Users mit Inhalten.
Ein moderner Content- und Service-Hub sollte sich diesem veränderten Nutzungsverhalten anpassen. Eine hohe Content-Qualität und –Breite wird Pflicht. Um aber aus dem Angebot im Netz herauszustechen, müssen die Inhalte genau zum Nutzerinteresse passen und sich agil und in Echtzeit an das Nutzungsverhalten anpassen. Das Gute ist: Auch ohne die Ressourcen von Netflix & Co. lassen sich grundlegende Prinzipien adaptieren und effizient einsetzen. Die Software-Entwicklung schreitet gewaltig voran und bietet ähnliche Mechanismen an. Die Herausforderung besteht darin, das richtige Tool für die eigenen Bedürfnisse zu finden. Denn dem „Data Lake“ folgt der „Software River“. Quasi täglich gibt es ein neues Tool, mit dem man noch besser und schneller agieren kann.
Erfolgsfaktor Curated Content
Curated Content lautet das Stichwort. Jedem User eines Portals werden genau die Inhalte präsentiert, die am relevantesten und interessantesten für ihn sind. Denken wir daher statt in Inhaltsseiten in Artikel-Streams. Jeder Stream kann nach „Topic“, zum Beispiel einer Fachrichtung oder Indikation, „Content-Type“, wie Artikel oder Video, oder in Form eines „Packages“, also einer Kombination der vorangegangenen Faktoren, zusammengestellt werden.
Mithilfe eines leistungsfähigen Trackings finden wir die Interessen sowie präferierten Inhaltstypen des Users heraus und stellen ihm den passenden Content in individualisierten Streams zusammen. Was der User liest, bewertet, downloadet, anschaut oder kommentiert, sagt sehr viel über seine Interessen aus. Mithilfe von sogenannten „Shared Characteristics“ können zwei verschiedene User identifiziert werden, die ein ähnliches Interessenverhalten an den Tag legen. So können auch die Nutzer mit passenden Inhalten bespielt werden, die die Plattform selten nutzen und wenig von sich preisgeben.
Durch die Konsolidierung mehrerer Datenquellen innerhalb eines CDPs dienen die gewonnenen Informationen zur Kuratierung verschiedenster Angebote. Nicht nur der Aufruf eines Webseitenartikels wird wahrscheinlicher, sondern auch die Öffnung eines (E-)Mailings, die Anmeldung zu einer Veranstaltung oder das Interesse an einem Außendienstgespräch.
Doch keiner Zielgruppe lässt sich ein digitaler Trend aufzwingen. Ob Ihre Zielgruppe bereits medflixt oder vielleicht noch vollständig analog unterwegs ist, lässt sich nur im gemeinsamen Austausch und im direkten Dialog mit ihr herausfinden. Die Geschwindigkeit und Flexibilität der digitalen Welt lässt sich heute leicht auf die analoge Welt übertragen – und macht das Medflix-Prinzip auch hier nutzbar. Durch Software-Automatisierung können Druckvorlagen wie Postkarten oder Mailings bereitgestellt und über digitale Systeme versendet werden. So kann ein Marketing Manager viel einfacher entscheiden, welche Zielgruppe eine E-Mail oder ein Mailing erhält oder sogar persönlich besucht wird.
Da kommt dann neben dem „Data Mindset“ ein weiteres ins Spiel: das „Agility Mindset“. Mit Hilfe von Co-Creation-Methoden werden gemeinsam Ideen und digitale Produkte entwickelt, es wird an User Journeys gefeilt oder gar strategische Weichenstellungen vorgenommen. Die Datenbasis sollte von Anfang an ins Kalkül gezogen werden.
Autoren
Thilo Kölzer ist CEO von antwerpes und berät Healthcare- und Pharmaunternehmen bei ihrer Digitalen Transformation. antwerpes verfügt über einen eigenes Data Team, welches sich mit der Implementierung von CDPs und der Datenauswertung und -nutzung beschäftigt. – Kontakt
Nils Fortmann ist Unitleiter im Bereich Innovation & Activation bei antwerpes. Als eine der Top-Kreativagenturen auf dem deutschen Healthcaremarkt entwickelt antwerpes mit seinen rund 140 Mitarbeitern innovative Kommunikationslösungen aus einer Hand. – Kontakt