Creative Output
Digitale Transformation auf Augenhöhe
Jörg Schaub im Gespräch mit Thilo Kölzer
Jörg Schaub ist Chief Marketing Officer von Lilly Pharma in Deutschland. antwerpes CEO Thilo Kölzer hat sich mit ihm getroffen und einmal nachgefragt: Wie steht es eigentlich um die Digitale Transformation bei Lilly? Was kann man sich unter der „Augenhöhe-Bewegung“ vorstellen? Und was können Pharmaunternehmen eigentlich von Healthcare-Start-ups lernen? Antworten gibt es hier.
Thilo Kölzer: Herr Schaub, ich habe mir vor kurzem die Unternehmenszahlen der Lilly Deutschland der vergangenen 5 Jahre angeschaut, die auf Ihrer Website veröffentlicht sind. Zwei Tendenzen sind mir dabei besonders ins Auge gefallen: Einerseits ist der Umsatz von 2014 bis 2018 sehr stark gestiegen. Andererseits ist die Anzahl der Mitarbeiter gesunken, speziell von 2017 auf 2018. Haben beide Tendenzen etwas mit der Digitalisierung zu tun oder gibt es dafür andere, strukturelle Gründe?
Jörg Schaub: Die Umsatzseite ist eher pharmatypisch zu sehen. Wir haben seit 2015, nach einer längeren Phase ohne Neueinführungen, eine Reihe von Produkten gelauncht. In den 20 Jahren, die ich überblicken kann, war das wirklich eine der besten Phasen, die wir je hatten. Davor hat unsere Pipeline etwas gestockt. Aber ab 2015 haben wir über alle unsere Therapie-Bereiche hinweg – Onkologie, Diabetes, Immunologie und Schmerz – viele neue Produkte erfolgreich auf den Markt gebracht. Das erklärt das Umsatzwachstum. Andererseits hat sich Lilly international mit anderen Pharmaunternehmen verglichen und dabei festgestellt, dass unsere Produktivitätszahlen unterdurchschnittlich waren. Als börsennotiertes Unternehmen müssen wir uns natürlich an den gängigen Kennzahlen der Branche orientieren. Diese konnten wir auch gut umsetzen und gleichzeitig erfolgreich sein, wie man sieht. Ich sehe da allerdings nicht den direkten Zusammenhang zur Digitalisierung. Gleichzeitig spielen eine zeitgemäße positive Customer Experience und damit die neuen digitalen Möglichkeiten natürlich eine wichtige Rolle.
TK: Gab es denn bei den jüngsten Produkt-Launches die Tendenz, jeweils mit weniger Manpower und alternativen Kanälen zu launchen?
JS: Ja, in Maßen schon! Zudem entwickelte sich die Nachfrage auf Kundenseite genau in die Richtung. Das gab uns die Zuversicht, dass man auch mit etwas weniger Headcount erfolgreich sein kann, in dem man mit digitalen Kanälen gut ergänzt und gut unterstützt. Bei uns ging natürlich auch die Fragestellung umher „Wird der klassische Außendienst durch neue Kanäle ersetzt?“. Die Antwort lautete: Der Außendienst wird ergänzt. Ich kann mir eine Pharma-Welt ohne den direkten menschlichen Kontakt schlecht vorstellen. Aber natürlich haben wir die neuen Produkte mit kleineren Außendiensten in den Markt gebracht als die Konkurrenz und waren trotzdem exzellent. Im Vergleich von vor zehn Jahren sind wir einfach auch mutiger geworden, weil wir nun wissen, wie wir auch andere Kanäle erfolgreich bespielen können.
TK: Auf einer Skala von eins bis zehn, wie würden Sie bei Lilly die Strategische Ausrichtung in Richtung „Digital“ bewerten?
JS: Sehr hoch, so bei sieben bis acht.
TK: Das ist in der Tat hoch. Sie sind Mitglied im Management Board von Lilly Deutschland. Wenn ich mir die ganzen Positionen allerdings so anschaue, gibt es keine, die explizit den Begriff „Digital“ enthält. Ich weiß, dass das Thema natürlich auch in Ihren Bereich fällt, zumindest, was das Marketing angeht. Wie schätzen Sie das ein? Besteht bei Lilly denn kein Nachholbedarf?
JS: Wir haben natürlich auch Kollegen im Headquarter in Indianapolis (USA) und in unserer internationalen Region in der Führung sitzen, die für die Digitalisierung verantwortlich sind. Für das Marketing in Deutschland liegt die Digitalisierung zwar in meinem Bereich, hängt aber extrem mit der IT zusammen, was ich sehr gut finde. Bei uns ist die IT weit mehr als der klassische Hardware-Support. Unsere IT ist voll mit innovativen Menschen, die gestalten wollen und können. Sie unterstützt uns im Marketing mit unheimlich viel Wissen. Wir wollen möglichst viele Leute an digitalen Innovationen mitwirken lassen, mit sehr viel Eigeninitiative und Selbstverantwortung. Außerdem hinterfragen wir unsere Strukturen und Prozesse regelmäßig. Bislang fühlen wir uns sehr wohl damit.
TK: Ich kann bestätigen, dass Sie die digitalen Themen breit ins Unternehmen tragen und im Hause Lilly über eine „Marketing-IT“ verfügen. Dennoch gibt es keinen Chief Digital Officer, der diese Themen dezidiert vorantreiben würde.
JS: Nein, den gibt es nicht, das ist richtig. Wir haben das intern natürlich schon öfter diskutiert und in einem Whitepaper festgehalten, wie wir die Digitale Strategie bei Lilly Deutschland sehen und damit umgehen wollen. Das passiert bei uns eben nicht auf Einzelpersonenebene, sondern im Rahmen von Gremien und Governance Boards. Denn wir glauben, dass wir damit näher am Business sind. In den Teams zur Umsetzung sitzen dann ganz unterschiedliche Personen aus verschiedenen Abteilungen, wer eben gerade benötigt wird. Engagement basierend auf Interesse und Selbstverantwortung – im sehr positiven Sinne!
TK: Sie sind seit fast 22 Jahren bei Lilly und haben viele unterschiedliche Positionen und Funktionen durchlaufen. An welche Veränderungen können Sie sich im Rückblick am besten erinnern?
JS: Persönlich habe ich natürlich viele Veränderungen durchgemacht. Ich habe mal im Controlling angefangen als Financial Analyst und dann meinen Job in den Folgejahren mehrfach verändert. Das erste Mal Vorgesetzter zu sein, ist natürlich eine große Veränderung. Ebenso das erste Mal eine internationale Rolle einzunehmen oder das erste Mal für einen Produktlaunch verantwortlich zu sein. Dann hatten wir bei Lilly auch Phasen, in denen große Blockbuster-Patente ausgelaufen sind. Das sind für ein Pharmaunternehmen natürlich echte Einschnitte, bei denen es wichtig ist, sich richtig darauf vorzubereiten und richtig damit umzugehen. Das sind pharmatypische Veränderungen, bei denen immer auch sehr viele Mitarbeiter involviert sind. Die Digitalisierung empfinde ich momentan als eine Veränderung wie viele andere auch.
Eine Transformation, die mich in den letzten fünf Jahren sehr geprägt hat, ist eher eine kulturelle Transformation: Wir nennen sie „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ und die kann jeder bei uns aktiv mitgestalten. Für Lilly war und ist dies ein sehr wichtiger Weg, den wir in den kommenden Jahren weiter gestalten werden. Mittlerweile hat Lilly weltweit diesen Veränderungsprozess aufgegriffen. „TEAM LILLY“ nennt sich unser gemeinsames Rahmenwerk, in dem Werte und Erwartungen festgehalten sind, die Basis für unsere nachhaltigen positiven Ergebnisse sind.
Eine Transformation, die mich in den letzten fünf Jahren sehr geprägt hat, ist eher eine kulturelle Transformation: Wir nennen sie „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ und die kann jeder bei uns aktiv mitgestalten.Jörg Schaub, Chief Marketing Officer (CMO) der Lilly Pharma Deutschland
TK: Wie kann ich mir das vorstellen, „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“? Heißt das, dass auch der Werkstudent vor der Geschäftsführung präsentieren darf, wenn er ein relevantes Thema identifiziert hat oder Spezialist auf einem bestimmten Gebiet ist?
JS: Ja, absolut! Es gibt zu dieser „Augenhöhe-Bewegung“ generell viele gute Dokumentationen, die teilweise auch im Internet verfügbar sind. Wir haben uns das näher angeschaut und eine Vision davon entwickelt, wie Arbeit in Zukunft bei Lilly aussehen kann. Viele Mitarbeiter, egal auf welcher Hierarchieebene, wollen eingebunden sein in das Unternehmen, seine Prozesse, seine Kommunikation. Das Management muss an der Stelle natürlich Vertrauen aufbauen und beweisen, dass das alles ernst gemeint ist. Grundsätzlich bedeutet das eben auch, den Menschen als Ganzen zu sehen und ihn nicht nur auf seine Rolle im Unternehmen zu reduzieren. Wir schauen nach, welche Talente und Kompetenzen im Unternehmen vorhanden sind, die uns weiterbringen können.
Natürlich arbeiten bei uns auch talentierte studentische Aushilfskräfte, z.B. in der IT. Die sind teilweise Experte auf Gebieten, in denen wir sonst gar nicht mithalten können. Am Ende sollen bessere Entscheidungen getroffen werden und es gibt auch schon die ersten Beispiele dafür, dass das gut funktioniert. Und es macht im Übrigen auch viel Spaß.
TK: Das ist ja auch ein Thema der Digitalisierung: Neue Prozesse und Agilität. Hat „Augenhöhe“ etwas damit zu tun oder läuft das völlig autark?
JS: Darauf habe ich zwei Antworten: Mit „Augenhöhe“ haben wir vor fünf Jahren, also vor unserer Digitalen Transformation, begonnen. Interessant ist, dass das Thema bei uns von den Mitarbeitern vorangetrieben wurde, die sich mit Firmenorganisationskultur beschäftigen. Die hatten aber wiederum große Überschneidungen mit dem weiten Feld der Digitalisierung. Wir wollten jedoch nicht wegen der Digitalisierung agiler werden, sondern weil sich die Welt verändert, Veränderungsprozesse immer schneller ablaufen und weil es für den Einzelnen immer schwieriger wird, darauf zu reagieren. Für Firmen und die Menschen kann das alles ja durchaus eine Überforderung sein. So haben wir uns dem Thema zuerst genähert und hatten gleichzeitig auch die Chance, das Digitalisierungsthema agiler und aus einem anderen Blickwinkel anzugehen. Das alles kann gar nicht nur aus dem Management kommen, sondern die Ideen müssen überall in der Organisation geweckt und gehoben werden.
Interessanter Aspekt, der mir dazu noch einfällt: Vor vielen Jahren haben wir uns mit dem Thema „Customer Experience“ beschäftigt und uns in diesem Zusammenhang das Value Chain-Modell angeschaut – ein einfaches und bereits sehr langes etabliertes Modell. Die Ausgangsidee lautete: Mit zufriedenen Kunden wird man erfolgreicher am Markt sein, und zufriedene Kunden wird man dann haben, wenn man auch zufriedene Mitarbeiter hat. Dann kam diese „Augenhöhe“ ins Spiel. Heute fragen wir uns natürlich: Was ist die nächste Stufe der „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“? Intern aber auch mit externen Partnern. Die Digitalisierung fällt dann schon auf einen guten Nährboden.
TK: Ich habe Sie zu Beginn nach „Veränderungen“ gefragt. Sie haben bei Lilly die Hoch-Zeit der New Economy um die Jahrtausendwende herum miterlebt. Das war für mich persönlich ein Digitalisierungsschub. Können Sie sich daran auch bewusst erinnern? Oder würden Sie im Rückblick sagen „Das war damals gar nicht so bedeutend“?
JS: Ehrlich gesagt war ich damals am ehesten mit meiner eigenen Entwicklung beschäftigt, da ich zum ersten Mal in einer Sales-Position war und auch Mitarbeiterverantwortung bekam. Damals war die Pharmaindustrie noch sehr „old-fashioned“. Das herkömmliche Pharma-Business-Modell hat damals noch sehr gut funktioniert. Ich kann mich zwar nicht mehr so gut an diese Zeit erinnern, aber ich würde mal sagen, dass uns das alles bei Lilly nicht so sehr beschäftigt hat. Und wir waren damals sehr erfolgreich am Markt, in erfolgreichen Phasen wird ja teilweise auch eher ein „weiter so“ praktiziert.
TK: Ich kann mich an diese Zeit erinnern, weil wir, antwerpes, damals sehr innovatives Online-Marketing für Lilly in der Indikation der erektilen Dysfunktion betrieben haben. Das muss im Jahr 2003 gewesen sein. Damals habe ich Lilly als Innovator erlebt. Auch heute tritt Lilly in Zusammenhang mit innovativen Themen und Technologien auf. Ich habe gesehen, dass Sie als Speaker auf internationalen Pharma-Marketing-Kongressen auftreten, vor allem mit dem Thema „Virtual Reality“ (VR). Warum gerade dieses Thema?
JS: Das Thema hat einfach gut gepasst, weil wir uns damals bei Lilly intern damit beschäftigt haben. Gleichzeitig bekam ich die Anfrage nach einer Keynote-Präsentation auf den Tisch. Das Thema war einfach hip und stellt eine interessante Technologie dar. Auch hier spielte „Augenhöhe“ eine Rolle: Ein Mitarbeiter, dessen Steckenpferd VR war, hat uns einfach mit diesem Thema angesteckt. Das war anfänglich fast schon eine private Initiative, bis die ersten Brandteams gesehen haben, dass sie VR vielleicht für ihre Zwecke nutzen möchten und welche Benefits auch für Patienten entstehen können.
Mir ging es jedoch auch darum, den Hype um dieses Thema näher zu betrachten. Vor zwei bis drei Jahren hing an jedem zweiten Messestand eine VR-Brille herum, die aber keiner übergezogen hat. Teile der Besucher haben sich das vereinzelt mit Neugier angeschaut, sind aber mit Fragezeichen wieder gegangen. Unser Anspruch war es immer, den Besuchern auf einem Messestand den Nutzen klar zu machen und mit Hilfe der Anwendung eine Basis für ein gutes Gespräch entstehen zu lassen. Dabei haben wir gelernt, dass man nicht alles, was man gut zweidimensional auf Papier darstellen kann, auch in den virtuellen Raum bringen muss. Sondern nur, wenn die dritte Dimension auch Sinn macht. Das gibt es gar nicht so häufig. Wenn man diese sinnstiftenden Anwendungen identifiziert, ist das natürlich toll! Das war im Großen und Ganzen der Inhalt meiner Präsentation. Viele Zuhörer haben mich gefragt, wie wir diesbezüglich organisatorisch aufgestellt sind. Ich konnte nur antworten, dass wir sehr schmal aufgestellt sind: Einige wenige interne Experten, gepaart mit externen Spezialisten und Dienstleistern.
TK: Also weniger ein strategisches Thema, sondern eher entstanden, weil man intern Ressourcen hatte, die sich damit auskannten. Außerdem ist natürlich die interne Wirkung nicht zu unterschätzen.
JS: Auf jeden Fall nicht VR nur um bei diesem Thema dabei zu sein. Sondern eine Einbindung in die jeweilige Brand-Strategie, wenn es uns hilft, unsere Ziele zu erreichen. Wir konnten mit Hilfe der VR bereits einen Nutzen für unsere Kunden schaffen und haben die Lösung in Co-Creation mit Experten immer weiterentwickelt. Diese Reise geht aktuell auch immer weiter.
Opening-Rates sind uns wichtig, weil jede nicht geöffnete E-Mail ein negativer Eindruck ist. Und das ist unser Anspruch: Wenn wir eine E-Mail an Ärzte oder andere Zielgruppen versenden, sollte sie es wert sein, geöffnet zu werden. Das ist unser Ehrgeiz.Jörg Schaub, Chief Marketing Officer (CMO) der Lilly Pharma Deutschland
TK: Haben Sie denn andere digitale Themen, die für Sie strategisch wichtig sind oder sein könnten?
JS: Ich glaube, da bewegen wir uns ähnlich wie andere Pharmaunternehmen: Die Basis-Kanäle müssen laufen. Das sind dann Themen wie digitale Fortbildungen, Videocontent, E-Mail-Marketing. Wichtig ist bei alledem, dass es unsere Kunden nicht belästigt, sondern einen Mehrwert für sie darstellt. Opening-Rates sind uns wichtig, weil jede nicht geöffnete E-Mail ein negativer Eindruck ist. Und das ist unser Anspruch: Wenn wir eine E-Mail an Ärzte oder andere Zielgruppen versenden, sollte sie es wert sein, geöffnet zu werden. Das ist unser Ehrgeiz. Dann ist uns im zweiten Schritt wichtig, mit den gewonnenen Daten etwas anzufangen, Stichwort „Analytics“. Da stehen wir aber noch am Anfang.
TK: E-Mail ist an sich ja ein sehr alter Kanal im Internet. Ihr Ansatz ist es dann eher, diesen akzeptierten Kanal zu optimieren, anstatt ein Themenhopping zu betreiben und mal dies und mal das zu machen, nur weil es gerade modern ist.
JS: Ja, richtig. Wir sind etwas langsamer in der Nutzung ganz neuer Kanäle, zumindest in der Breite, weil wir ein Stück weit darauf angewiesen sind, Systeme oder Infrastrukturen zu nutzen, die uns von unserer internationalen Organisation vorgegeben werden. Klar hat man alte Kanäle wie E-Mail oder Video. Aber die gut zu machen und gut rüberzubringen, ist immer noch eine Herausforderung. Wenn es aber gut ist, dann stellen die auch einen Wert dar. Nicht die Masse macht’s, sondern nur die Dinge, die auch was bringen. Die Organisation muss mitgenommen werden, so dass jeder auf diesen Themen mitdenken kann. Und dann können auch ganz neue Dinge entstehen. Die Basis muss einfach stimmen.
TK: In letzter Zeit mehren sich Thesen, dass sich Pharmaunternehmen zu App-Entwicklern und Dienstleistern mit Start-up-Mentalität entwickeln sollten, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein (z.B. hinsichtlich Therapiebegleitung/-management, Monitoring oder Compliance). Wie sehen Sie das und was macht Lilly in diesem Bereich?
JS: Bisher waren wir eher vorsichtig. Wir haben länger darüber nachgedacht, wie wir was machen wollen und wir werden uns da sicherlich öffnen. Vor drei bis vier Jahren haben wir uns vor allem deutsche Healthcare-Start-ups angeschaut. Da entstanden schon einige Aha-Effekte, z.B. hinsichtlich der Arbeitsweisen von Start-ups. Wir werden wahrscheinlich kein Start-up gründen. Aber zu schauen, wie da was zusammenpasst und wie wir als Deutschland-Filiale eines globalen Konzerns damit umgehen und experimentieren und ob das was mit unserem Geschäftsmodell zu tun hat, ist schon spannend. Wir werden uns wohl keinen eigenen Innovation-Hub leisten können, aber wir schauen, wie wir dennoch Vorteile generieren können. Wir werden beispielsweise in einem Open Office-Space, in dem Healthcare-Start-ups sitzen, auch ein paar Schreibtische mieten, um Kontakte zu knüpfen und auch um zu kooperieren. Die Start-up-Mentalität wollen wir internalisieren, weil uns die agilen Methoden interessieren und wir von Start-ups lernen können. Das hilft uns auch, für unsere derzeitigen Mitarbeiter attraktiv zu bleiben und attraktiv zu werden für neue Mitarbeiter. Vor allem Letztere fordern Agilität natürlich vermehrt ein.
TK: Können Sie ein Healthcare-Start-up nennen, dass für Sie zurzeit besonders „heiß“ ist?
JS: Spontan fällt mir der ZNS-Bereich ein. Bei psychiatrischen oder neurologischen Erkrankungen finde ich es faszinierend, mit Apps den Alltag zu monitoren und in Richtung Diagnostik und Screening gehen zu können. Beispielsweise im Bereich der Demenz: Viele Geräte bekommen es mit, wenn sich der Alltag eines Patienten verändert, und zwar besser und schneller, als dass die Menschen um einen Betroffenen herum mitkriegen würden.
Die Start-up-Mentalität wollen wir internalisieren, weil uns die agilen Methoden interessieren und wir von Start-ups lernen können. Das hilft uns auch, für unsere derzeitigen Mitarbeiter attraktiv zu bleiben und attraktiv zu werden für neue Mitarbeiter.Jörg Schaub, Chief Marketing Officer (CMO) der Lilly Pharma Deutschland
TK: Sie meinen eine App, die Verhaltensmuster analysiert und daraus Schlüsse für die Erkrankung und die Therapie zieht?
JS: Ja, genau. Wenn Betroffene oder Angehörige das möchten, finde ich das toll! Ebenso wenn ein Device besser funktioniert als der Mensch! Solche Themen faszinieren mich und da folge ich auch einigen Vordenkern.
TK: Welche ist Ihre derzeitige Lieblings-App?
JS: Ich laufe für mein Leben gerne und habe früher nicht immer alles messen müssen. Seit ich aber „Garmin Connect“ kennengelernt habe, war ich gleich fasziniert und dokumentiere seither meine Läufe. Läuferisch habe ich mich zudem nochmal verbessern können, einfach durch Dokumentation und eine visuell gut gemachte Darstellung meiner Werte. Auch der damit einhergehende Motivationseffekt hat mich mitgerissen, ganz nach dem Motto „Nächsten Monat möchte ich noch ein paar Kilometer mehr schaffen“.
TK: Wenn Excel, Word und Powerpoint die Office-Tools der 90er und 2000er Jahre waren – welche sind Ihrer Meinung nach die Tools der Zukunft?
JS: Für mich sind es immer noch diese Tools, bzw. die Standard-Programme von Microsoft, weil wir uns als Firma seit vielen Jahren auf Microsoft verlassen. Und da kommen natürlich regelmäßig neue Tools hinzu, wie „Yammer“ und „Teams“. An der Stelle will ich auch Vorbild sein und diese konsequent einsetzen.
TK: Zum Schluss unseres Interviews hätte ich gerne einen „Elevator Pitch“ von Ihnen: Wenn Sie einen Bewerber, der sich zwischen Lilly und einem Berliner Healthcare-Start-up entscheiden muss, in 30 Sekunden überzeugen müssten, zu Lilly zu kommen: Was würden Sie ihm sagen?
JS: Ich würde sie oder ihn als erstes in den Aufzug zu uns nach Bad Homburg einladen, um vor Ort zu spüren, dass der Gegensatz vielleicht gar nicht so extrem ist, wie man von außen betrachtet annehmen würde. Wenn man einmal hier ist, kann man auch spüren, was wir mit der Arbeit auf Augenhöhe meinen. Wir sind bereit, die nächsten Schritte der Digitalen Transformation mitzugehen.
Und es kommt auf die Mischung an: Eine gute Arbeitsplatzatmosphäre sowie Agilität, die bereits vorhanden ist, und die weiter zunimmt. Aber auch eine seit über 100 Jahren gewachsene Firmenkultur, gepaart mit der Attraktivität einer innovativen Pharmaforschungspipeline in interessanten Therapiegebieten. Man kann sich außerdem darauf freuen, mitgestalten zu können.
TK: Herr Schaub, vielen Dank für das Gespräch!