Back

Trendscout

Metaverse & Healthcare-Marketing – Gegensatz oder Symbiose? (Teil 1/2)

Anwendungsbereiche virtueller Welten in der Healthcare-Branche

Ich bin in den letzten Monaten mehrfach mit der Frage konfrontiert worden, ob das Metaverse „etwas für das Healthcare-Marketing ist“. Eine Antwort auf diese Frage ist nur dann möglich, wenn man eine ungefähre Ahnung davon hat, was das Metaverse überhaupt ist, was es in Zukunft sein kann und welche Vision dahintersteckt. Und das ist wiederum gar nicht so einfach auf den Punkt zu bringen.


Schon gehört?

Diesen Beitrag gibt´s auch als Blogcast.

Ich stelle mir das Metaverse als virtuelle Daten-Galaxie vor, in der mehrere virtuelle Planeten miteinander vernetzt sind. Bestenfalls sind diese Welten nicht nur miteinander verbunden, sondern existieren auch synchron, sodass ein nahtloser Übergang zwischen ihnen möglich ist, um sinnvolle Interaktionen und Transaktionen durchzuführen.

Ein Beispiel für eine solche Galaxie: Ein Unternehmen betreibt eine virtuelle Filiale auf einer Metaverse-Plattform wie Decentraland und präsentiert dort diverse Produkte in 3D. In einem ergänzenden Online-Shop befindet sich ein Virtual Showroom, in dem die komplette Produktpalette präsentiert wird und gekauft werden kann. Den Virtual Showroom kann man via Browser oder VR-Headset „betreten“.

nahtloser Übergang, konsistente User-Journey, einander ergänzende Inhalte

 

Die Planeten „Plattform – Shop – Showroom“ werden so zu einem „Corporate Metaverse“ kombiniert – die Vorteile: nahtloser Übergang, konsistente User-Journey, einander ergänzende Inhalte.
Übertragen auf den Healthcare-Sektor ist beispielsweise vorstellbar, dass eine Krankenkasse ein virtuelles Beratungscenter für Versicherte betreibt, um gesundheitliche Präventivmaßnahmen und Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGA) für bestimmte Indikationsbereiche zu demonstrieren. In diesem Beratungscenter finden zudem regelmäßig digitale Sprechstunden mit echten Ärzten zu unterschiedlichen Erkrankungen statt. Dort lassen sich digitale Zwillinge anlegen, die mit persönlichen Gesundheits- und Fitnessdaten ausgestattet werden können. Das Kassenbonusprogramm wird auf der Basis von NFTs (Blockchain) aufgesetzt, die wiederum von den digitalen Zwillingen erworben und genutzt werden können.

Wer den Film „Matrix“ aus dem Jahre 1999 kennt, gewinnt eine Ahnung vom Metaverse-Gedanken: Eine programmierte, virtuelle Welt, in die man eintauchen (und gleichzeitig emotional aus der realen Welt „verschwindet“), aber auch wieder an der realen Oberfläche auftauchen kann – an der Stelle hatte die Matrix von damals allerdings noch die ein oder andere Schwäche. 😉

 

Treiber des Metaverse

Die Protagonisten des Metaverse sind momentan Gaming-Plattformen wie Roblox oder Minecraft, Social Media-Player wie Meta und TikTok oder Entwickler von 3D-Creation-Engines wie Unity und Unreal. Auch Nvidia mit seiner Echtzeit-Grafik-Kollaborationsplattform „Omniverse“ will offenbar mitspielen. Neben den großen Software-Unternehmen gibt es auch einige bedeutende Akteure aus dem Hardware-Sektor mit Investitions- und Innovationspotential: Apple, HTC und Varjo Technologies.
Das Gaming an sich ist meines Erachtens nach momentan der Haupttreiber des Metaverse-Gedankens. Plattformen wie Roblox ziehen täglich weltweit Millionen Spieler in ihren Bann, sodass dort eine Metaverse-Generation heranwächst.

Wenn man selbst kein Gamer ist, bekommt man vom Metaverse, zumindest in Deutschland, noch nicht soviel mit. In anderen Ländern sieht das durchaus anders aus:
Ich hatte vor ein paar Monaten das Vergnügen, an einem globalen Sales-Pitch bei einem amerikanischen Pharmaunternehmen teilzunehmen. Dabei wurden von einer amerikanischen Marketing-Agentur ganz selbstverständlich Metaverse-Ideen präsentiert. Außergewöhnlich oder „cutting edge“ fand das niemand in der Runde – es war einfach Teil des Ideenspektrums.
Damals verstand ich, dass sich das Thema anderswo auf der Welt schneller entwickelt und deutlich präsenter ist als hierzulande. Es wird aber nur eine Frage der Zeit sein, bis es über den großen Teich nach Europa „schwappen“ wird. Momentan wird ohnehin fast jedes Thema von der „Künstlichen Intelligenz“ verdrängt, zumindest was den „share-of-Voice“ angeht. Die Kombination von „Metaverse“ und „Künstlicher Intelligenz“ kann natürlich nochmal zusätzlich frischen Wind in beide Themen pusten. KI-basierte Text-to-Speech-Ansätze gepaart mit digitalen Zwillingen eröffnen wieder neue Horizonte.

Schwächelt das Metaverse, wird auch Meta Schaden erleiden.

 

Ein anderer großer Metaverse-Protagonist, der dafür sorgen dürfte, dass das Metaverse auch abseits des Gaming Durchdringung findet, ist Meta alias Facebook. Denn ob ein Ansatz oder ein Thema Potential hat, entscheidet sich immer auch an der (Überzeugungs-)Kraft der Unterstützer. Meta hat das Metaverse quasi zu einer eigenen, strategischen Komponente umgewandelt. Dazu gehört beispielsweise die Entwicklung von Software-Tools, virtuellen Software-Welten und der entsprechenden Hardware, um die Dienste auch nutzbar zu machen. Durch die geschickte (Aus-)Nutzung der Namensverwandtschaft (viele denken immer noch, das Metaverse sei eine Erfindung von Meta) ist eine „quasi-symbiotische Verbindung“ entstanden, die zum Erfolg verdammt ist. Denn: Schwächelt das Metaverse, wird auch Meta Schaden erleiden. Meta und CEO Mark Zuckerberg werden also einiges dafür tun, damit das Metaverse erfolgreich wird – und zwar weltweit. Deshalb glaube ich persönlich an das Potential des Metaverse – auch „Beyond Gaming“.

 

Seamlessness

Der erwähnte, nahtlose Übergang zwischen den verschiedenen Welten liest sich auf den ersten Blick einfach, ist aber eine der größten Herausforderungen des Metaverse.
Man muss sich begleitend zu diesem Satz Folgendes vorstellen: Der eigene Minecraft-Avatar geht zu Horizon und wird dort „wiedererkannt“ mit seinem Aussehen, seinen Fähigkeiten, seinen Daten und kann sich innerhalb von Horizon frei bewegen und vielleicht ein weiteres Online-Game spielen. Auf Horizon kaufe ich mir für meinen Avatar ein digitales Asset wie ein Kleidungsstück in Form eines Umhangs. Dieser Umhang geht wiederum nicht verloren, wenn ich wieder zur Plattform Minecraft wechsle.

Diese Kompatibilität zwischen den Welten ist meines Wissens momentan nur zwischen den Welten möglich, die von ein und derselben Firma entwickelt wurden (z.B. Horizon Worlds von Meta) – oder zwischen den Welten von Kooperationspartnern, die auf diesen Aspekt besonderen Wert legen.
Anders gesagt: Eine gute, nahtlose Nutzung ist nur in Teilen des Metaverse realistisch, zumindest im Jahr 2023 – und kurzfristig sehe ich da keine große Veränderung.

Das ist aber kein Grund, zu verzagen und das Metaverse außer Acht zu lassen. Natürlich kann man sich zunächst mal eine Welt herauspicken (z.B. eine, in der sich die eigene Zielgruppe aufhält) und dort erste Gehversuche unternehmen. Mit den sozialen Kanälen würde man es ja ähnlich machen – man kann nicht auf allen präsent sein. Eine „Expansion“ in andere Welten ist zu einem späteren Zeitpunkt immer noch möglich, wenn dann auch die technische Entwicklung weiter fortgeschritten ist.

 

Vom Avatar zum digitalen Zwilling

Zukünftig könnten sich unsere „Digital Twins“ im Metaverse zu virtuellen Abbildern unseres Selbst entwickeln, die sich in einem realitätsnahen, konsistenten und natürlich digitalen Ökosystem bewegen und dort miteinander interagieren.
Denn neben den oben geschilderten digitalen Assets wie Kleidungsstücken werden es persönliche Eigenschaften sowie Gesundheits- und Fitnessdaten sein, die den Unterschied ausmachen. Deshalb spielt die Idee des digitalen Zwillings im „Healthverse“ eine besondere Rolle. Ein Zwilling muss dabei nicht unbedingt einen kompletten menschlichen Körper repräsentieren. Auch ein einzelnes Organ kann einen digitalen Zwilling haben – quasi eine digitale 1:1-Nachbildung. Man könnte dann für dieses Organ, z.B. das Herz, Simulationen durchführen – beispielsweise, welche Konsequenzen verschiedene angenommene Lebensweisen auf das Organ haben und daraus entsprechende Ableitungen für die Zukunft treffen. Nach dem Motto: „Wenn Du nicht willst, dass sich dein Herz so wie in Simulation A verändert, dann vermeide bitte X.“ Dass Interessante daran wäre, dass die Simulation eben nicht für „das Herz“ erfolgt, sondern für „mein Herz“ – nur eben nicht in der Realität, sondern in einem geschützten digitalen Raum.

Hier geht´s weiter zum zweiten Teil meines Beitrags

 

Weiterführende Infos:

 

Autor

Thilo Kölzer ist CEO der antwerpes ag und berät Healthcare- und Pharmaunternehmen bei ihrer Digitalen Transformation. Seine langjährige Erfahrung in der digitalen Marketing- und Werbebranche macht ihn zu einem „Internet Explorer“ der ersten Stunde. Digitale Strategien, User Experience, Werbung und Suchmaschinenmarketing gehören ebenso zu seinem Kompetenzspektrum wie aktuelle Themen: Seamless Experience, Marketing Automation, Omnichannel, Virtual Reality, Augmented Reality, Web Apps, Bots und mehr. – Kontakt

Termin mit Thilo Kölzer vereinbaren

Bildquelle: Midjourney / Prompting: antwerpes

Veröffentlicht: 14. September 2023 // antwerpes


Back