Back

Trendscout

„Hello world!“

Von der Depersonalisierung zur Individualisierung von Content

Die Wörter „Hello world!“ erscheinen immer dann, wenn sich jemand erfolgreich am Programmieren versucht hat. Man teilt der Welt damit stolz mit: „Ich hab’s geschafft. „Hello world“ ist allerdings auch ein Symbol für absolute Depersonalisierung – denn die eigentliche Information ist rein auf den Sender bezogen und hat rein gar nichts mit dem Empfänger zu tun. Wie es auch anders gehen kann, beschreibt dieser Artikel.


Von „Hello world“ zu „Hallo Frau Dr. Iris Mayer“

Im Jahr 2020 muss ich nicht mehr erwähnen, dass die Personalisierung im Marketing Einzug gehalten hat – und das nicht erst seit gestern. Aber wie kann die Personalisierung im Healthcaremarketing wirklich auf eine einzelne Person heruntergebrochen und angewandt werden?

Handelt es sich um medizinische Fachpersonen wie Ärzte, Apotheker oder Tierärzte ist das HWG dabei behilflich. In dem Moment, in dem man sich irgendwo einloggen muss, um an Inhalte zu gelangen, identifiziert man sich und wird dem Anbieter einer Website dadurch bekannt – das Prinzip „DocCheck Login“.

Zukünftig wird es allerdings nicht mehr ausreichen, zu wissen, wie jemand heißt, welcher Fachrichtung jemand angehört oder in welchem Ort sich dessen Praxis befindet. Die Zukunft wird darin bestehen zu wissen, welche Interessen jemand hat und wie dieser Jemand sich im Netz bewegt.

Es wird darum gehen, User-Profile zu erstellen, zu pflegen und immer weiter zu verfeinern, um diesen Profilen wiederum wirklich relevante Inhalte zur Verfügung stellen zu können. Und an diesem Punkt trennt sich die Spreu vom Weizen.

Denn die Crux an der Sache: Wenn die werbungtreibenden Unternehmen, zum Beispiel Pharmaunternehmen, selbst User-Profile anlegen und pflegen, entstehen eine Menge unterschiedlicher Profile für ein und dieselbe Person. Diese stellen aber jeweils nur einen kleinen Ausschnitt der Interessen und individuellen Themen-Vorlieben des Users dar und sind aus diesem Grund nahezu wertlos.

Ziel muss es also sein, DAS User-Profil zu erstellen, in dem alle User-Daten aggregiert werden – von neutralen Plattformen genauso wie von einzelnen Produkt- oder Corporate-Websites.

Die Hinzunahme von unabhängigen Plattformen ist besonders wichtig, weil dort objektivere Daten zustande kommen als auf den einzelnen, kommerziellen Websites. Nur so können wirklich relevante Inhalte erzeugt und aufbereitet werden – und die sind für die Personalisierung ein wichtiger Schlüssel.

Das „Medflix-Prinzip“

Wir bei antwerpes nennen dieses Prinzip „Medflix“, angelehnt an den amerikanischen Streamingdienst. Denn Netflix macht uns bereits seit Jahren vor, wie Bewegtbild-Inhalte auf Einzelpersonenebene kuratiert werden. Denselben Anspruch verfolgen wir mit Medical Content: So wie Netflix möchten wir User nur mit solchen Inhalten konfrontieren, die für sie passend und relevant sind.

Hier gehen wir jedoch noch einige Schritte weiter und implementieren sogenannte „Shared Characteristics“. Denn es wird immer auch User geben, die sich nur ab und zu im Netz herumtreiben und dementsprechend wenig Daten erzeugen, sogenannte „Light User“. Diese können wir dennoch gut bedienen, in dem wir Daten von „Heavy Usern“, deren Profile denen der Light User ähneln, heranziehen und daraus wiederum Schlussfolgerungen für die Light User ziehen. Mit zunehmender Aktivität der Light User können deren Profile dann nach und nach durch „echte“ Daten ergänzt werden.

Von „Hallo Frau Dr. Mayer“ zu „Hallo Iris, hier ein Tipp für deine 15 Eisenmangel-Patientinnen“

All diese gesammelten Daten schaffen natürlich auch eine ganz neue Form der Personen-Cluster. Diese Segmente stammen nicht aus der analogen, sondern aus der digitalen Welt, und heißen dann vielleicht nicht mehr „Der Unabhängige“, sondern „Der Geschichtenerzähler“ (für jemanden, der gerne Inhalte teilt). Und nicht mehr „Der Freizeit-orientierte“, sondern „Der Entdecker“ ( für jemanden, der gerne im Internet nach Neuigkeiten schaut).

Mit Hilfe dieser neuen Cluster entwickeln wir virtuelle Personas. Diese erlauben es uns, User Journeys vorherzusagen, abgeleitet vom realen Userverhalten. Der letzte Schritt besteht dann darin, Inhalte zu entwickeln, die genau entlang bestimmter User Journeys für bestimmte virtuelle Personas gemacht sind. So kann die „Content Performance“, also der „Wirkungsgrad“ des Contents, stark erhöht werden, weil Nutzer fast nur noch für sie relevante Inhaltshappen präsentiert bekommen.

Wenn ein User-Profil nun ständig automatisiert gepflegt wird und genügend Datenpunkte beisammen sind, ist nicht mehr nur bekannt, dass eine Gynäkologin eine Praxis in München Lehel betreibt, sondern auch, wie viele Eisenmangelpatientinnen sie betreut, dass sie sich für Akupunktur interessiert und dass sie ihre Praxis mit einem Rotlichtstrahler ausgestattet hat. Entsprechend könnten ihr beispielsweise aktuelle Studien zum Thema Eisenmangel vorgeschlagen oder Impulse zur modernen Praxisausstattung gegeben werden.

Für die Datenschützer sei an der Stelle gesagt: Das alles geschieht selbstverständlich anonymisiert. Name und Adresse sind aber ohnehin relativ uninteressant, wenn es um die Bereitstellung für den Nutzer relevanter Informationen geht. Persönliche Daten wie der Name sind einzig und allein dazu da, einen Single-User zu begrüßen.

Cookies? Ja, gerne!

Wie eingangs erwähnt, kann diese Art von datengetriebenem, personalisiertem Marketing nur dann funktionieren, wenn man den User (er)kennt. Ein vorgeschalteter Login ist hier sicherlich die einfachste und verlässlichste Möglichkeit.

Ansonsten ist eine Wiedererkennung per Cookie möglich – sofern dieser gesetzt wird. Das Setzen von Cookies ist aufgrund der aktuellen Gesetztes- und Verordnungslage aber schwierig – und wird sicherlich in Zukunft immer schwieriger.

Dementsprechend wird es umso wichtiger werden, User davon zu überzeugen, Cookies zuzulassen. Das Angebot muss stimmen, Inhalte müssen relevant sein und optimal aufbereitet werden. Soll heißen: Der „Persuasive Cookie“ muss her – denn wenn das Akzeptieren eines Cookies verspricht, Mehrwerte oder Exklusivität geboten zu bekommen, ist das sicher hilfreich. Genauso wichtig ist es, Web-Usern das Thema „Cookie Opt-in“ sympathisch zu präsentieren. Das fängt schon bei den Begrifflichkeiten an: Wer möchte schon gerne einem „Performance Cookie“ zustimmen? Vielleicht möchte man aber seine Zustimmung dafür geben, eine Website zu erleben, die neue Sichtweisen bietet, neue Erkenntnisse erzeugt oder neue Impulse gibt – sei es für eine bestimmte Therapie, ein Behandlungsverfahren oder die Patientenansprache. Sprich: Wenn das Vertrauen da ist und der Benefit klar wird, werden die Cookies wahrscheinlich kein Problem sein.

Ohne Cookies hat ihr Content sonst nichts mehr mit dem User zu tun und es heißt wieder „Hello world!“ – und das wollen wir tunlichst vermeiden.

Autor

Thilo Kölzer ist CEO der antwerpes ag und berät Healthcare- und Pharmaunternehmen bei ihrer Digitalen Transformation. Seine langjährige Erfahrung in der digitalen Marketing- und Werbebranche macht ihn zu einem „Internet Explorer“ der ersten Stunde. Digitale Strategien, User Experience, Werbung und Suchmaschinenmarketing gehören ebenso zu seinem Kompetenzspektrum wie aktuelle Themen: Seamless Experience, Marketing Automation, Omnichannel, Virtual Reality, Augmented Reality, Web Apps, Bots und mehr. – Kontakt


Der Artikel ist im Sonderteil “Digitales Healthcare Marketing” 03/2020 der Healthcare Marketing erschienen.

Veröffentlicht: 18. February 2020 // antwerpes


Back