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Trendscout

Metaverse & Healthcare-Marketing – Gegensatz oder Symbiose? (Teil 2/2)

Anwendungsbereiche virtueller Welten in der Healthcare-Branche

Ich bin in den letzten Monaten mehrfach mit der Frage konfrontiert worden, ob das Metaverse „etwas für das Healthcare-Marketing ist“. Eine Antwort auf diese Frage ist nur dann möglich, wenn man eine ungefähre Ahnung davon hat, was das Metaverse überhaupt ist, was es in Zukunft sein kann und welche Vision dahintersteckt. Und das ist wiederum gar nicht so einfach auf den Punkt zu bringen.


Schon gehört?

Diesen Beitrag gibt´s auch als Blogcast.

Zweiter Teil meines Artikels zu Metaverse & Healthcare-Marketing, in dem ich konkrete Fragestellungen zu Anwendungsbereichen und Potentialen in der Healthcare-Branche beantworte. Den ersten Teil meines Beitrags finden Sie hier.

 

Metaverse und Healthcare-Markt

Warum aber ist das Metaverse auch für die Player des Healthcare-Marktes attraktiv, insbesondere für marktorientierte Organisationen, für die die Positionierung am Markt, die Kommunikation mit den Zielgruppen und das Verkaufen (von Produkten oder Dienstleistungen) eine wichtige Rolle spielt? Dem möchte ich mit Antworten zu weiteren, konkreten Fragen nachgehen:

 

Das Metaverse scheint noch weit weg zu sein – warum sollte ich mich als Teil der deutschen Healthcare-Branche damit beschäftigen?

Selbst wenn das Metaverse nur eine kurzfristige Modeerscheinung sein sollte, ist eine Auseinandersetzung damit sinnvoll: Die Grundgedanken und Ideen des Metaverse erfordern, alte Denkmuster abzulegen, Dinge komplett neu zu denken und zu hinterfragen und eine quasi neue Welt zu erfinden – zumindest gedanklich. Kurz gesagt: Das Metaverse hat disruptiven Charakter. Angenommen, man hat das Metaverse durchdrungen und eine entsprechende Vision und neue Ansätze dafür entwickelt, doch es setzt sich nicht durch – dann bleiben immer noch eine Vision und neue Ideen, und die lassen sich auch auf andere Technologien und Bereiche übertragen. Wir sollten also den Anstoß nutzen und die Digitalisierung des Healthcare-Marktes quasi im Windschatten der Metaverse-Thematik vorantreiben – auch ohne Metaverse. Das klingt auf den ersten Blick widersprüchlich, bietet meines Erachtens jedoch ein nützliches Denk-Werkzeug, um althergebrachte Strukturen, Prozesse und formale Rahmen neu denken zu können – und so Entwicklungen voranzutreiben.

 

Auf das Healthcare-Marketing heruntergebrochen: Was bleibt neben den Visionen konkret übrig?

Die Möglichkeit, web-basierte Interaktionsmöglichkeiten mit der Spielfläche eines metaphysischen, dreidimensionalen Raums zu verbinden ist potentiell für nahezu alle B2B- und B2C-Bereiche interessant. Unternehmen als Akteure in einem Metaverse bieten sich ganz neue Möglichkeiten des Kunden-Kontakts, des Kunden-Service und des Customer Engagements. Grundsätzlich kann man das Metaverse als innovative, zusätzliche (Platt-)Form der Marken- und Marketing-Kommunikation verstehen, bei der es zwar Regeln zu beachten gilt, aber grundsätzlich viel Freiraum für eigene Ideen und Ansätze vorhanden ist. Auch wenn das Metaverse derzeit für unseren Alltag wie eine reine Zukunftsmusik klingt, gilt es bereits jetzt, sich mit der Technologie und Anwendungsmöglichkeiten vertraut zu machen, um in wenigen Jahren nicht in einer digitalen Umgebung zu agieren, die von anderen für andere gemacht wurde.

Perspektivisch könnten wir durch das Metaverse die Etablierung eines digitalen Gesundheitssektors erleben, in dem Kliniken, Pharma-Unternehmen, Ärzte und Versicherungen als vernetzte Akteure in einem virtuellen Raum interagieren – die „Patient Centricity“ lässt grüßen. Metaverse-Praxen als erste Anlaufstelle für Beratung und Ersteinschätzung oder virtuelle Selbsthilfegruppen erscheinen nicht mehr ganz so abstrakt, wenn man sich anschaut, was in den USA schon praktiziert wird.

Speziell für den Medizintechniksektor ergeben sich ganz neue Möglichkeiten der Co-Creation mit (potentiellen) Kunden. Man stelle sich ein komplexes, teures Gerät vor, z.B. einen Thermodesinfektor zur Instrumentenaufbereitung oder sonographische Geräte. Während sich dieses noch in der Entwicklung befindet, könnte ich virtuell bereits mit entsprechendem Fachpersonal aus aller Welt in Kontakt treten und bereits im Frühstadium der Entwicklung Feedback einholen und das Gerät gemeinsam (weiter-)entwickeln, etwa hinsichtlich des Handlings und der Alltagstauglichkeit – zu einem Bruchteil der Kosten aus der analogen Welt. Dieser Gedanke wird bei HCP-Plattformen (HCP = Healthcare Professional) wie DocCheck bereits heute schon mit einem „Agile Commerce-Ansatz“ verfolgt.

 

Wie weit ist die Entwicklung des Metaverse schon fortgeschritten?

Bis zur Marktreife eines massentauglichen Metaverse dürfte es noch etwas dauern – Branchen-Experten sprechen von Zeiträumen von sechs bis zehn Jahren. Tech-Companies investieren aber bereits jetzt Milliarden in die Entwicklung eigener Software- und App-Lösungen hin zu einem Metaverse. So werden aktuell immer größere Schritte – vor allem in der Optimierung von Virtual Reality-Simulationen und Extended-Reality-Tools – gemacht, welche den technologischen Grundstein für ein Metaverse der Zukunft bilden. Hier gilt wie so oft der First-Mover-Vorteil.
In einem Atemzug mit dem „Metaverse“ nenne ich Virtual Reality (VR) genauso wie Augmented Reality (AR) und Blockchain, denn die dahinterliegenden Technologien bilden für mich in diesem Fall eine symbiotische Verbindung. Das Metaverse wird nicht abheben, wenn VR und AR nicht abheben. Andererseits können VR und AR die Haupttreiber für die Entwicklung und Etablierung des Metaverse sein. Für Transaktionen, bei denen neben Daten auch materielle Werte getauscht werden, ist die adäquate Währung notwendig, z.B. NFTs (Non Fungible Tokens) auf Basis der Blockchain.

Herstellerindustrien wie Pharma und Medizintechnik investieren bereits heute massiv in immersive Anwendungen, die sie ihren Kunden zur Verfügung stellen und die zukünftig auch für das Metaverse genutzt werden bzw. in das Metaverse integriert werden könnten: 3D-Experiences und -Trainings (Wirkstoff-Anwendung, Behandlungsmethoden), virtuelle Showrooms (Medizintechnik) oder virtuelle Reisen durch Produktionsprozesse, Shared Development in der Produktentwicklung oder „begehbare, medizinische Studien“ – die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig, das Disruptionspotential signifikant.
Es wird im Übrigen nicht so sein, dass irgendwann ein Schalter umgelegt wird und dann steht das Metaverse in voller Pracht zur Verfügung. Es handelt sich hier um einen schleichenden Prozess, der daraus bestehen wird, die bereits vorhandenen und neu entstehenden Welten und Plattformen miteinander zu verbinden, zu synchronisieren und Handel und Austausch zwischen diesen Plattformen Schritt für Schritt zu ermöglichen.
Technologien, die dies ermöglichen, sind bereits da und am Markt verfügbar:
– Cloud Computing (Dezentralität)
– Blockchain (Payment & sicherer Datenaustausch)
– Kompatibilität von 3D-Objekten über verschiedene proprietäre Plattformen hinweg

 

Welche Einsatzgebiete von Metaverse und Extended Reality-Anwendungen im Healthcare-Sektor gibt es?

Grundsätzlich sehe ich fünf Einsatzbereiche: Vertrieb, Point-of-Sale („PoS“), Fortbildung, Kongresse und eCommerce. Zu jedem dieser Einsatzbereiche wurden in den letzten beiden Jahren bereits Projekte realisiert – allerdings nicht unter dem Namen Metaverse, sondern mit den Labels „XR – Extended Reality“, „VR – Virtual Reality“ oder „AR – Augmented Reality“ versehen. Für die Arztkommunikation sind natürlich der Vertrieb, Fachkongresse und die medizinische Fortbildung von Interesse. Das Metaverse vereint zudem Vorteile der Flexibilität digitaler Kommunikation mit den Vorteilen der direkten, menschlichen Interaktion. Kommunikation im Metaverse ist interaktiv, immersiv und realitätsnah – und stellt so ein folgerichtiges Weiterdenken digitaler Kommunikation, sowie in der Healthcare-Branche von Telemedizin und digitalen Gesundheitsanwendungen, dar. In diesem Atemzug sind etwa virtuelle Messen, digitale Verkaufsgespräche, Anwendungssimulationen, das Teilen von aktuellsten Forschungsergebnissen oder auch virtuelle CME-Fortbildungen zu nennen.

 

Wie kann das Metaverse das Pharma-Produktmanagement beeinflussen?

Anstelle der reinen, häufig einseitigen Kommunikation ermöglicht ein Metaverse die praktische Vermittlung von Inhalten, die Simulation am „lebenden“ Objekt oder das kollaborative Zusammenarbeiten. Virtuelle Räume brauchen allerdings auch spezifische Konzepte für ein immersives Nutzererleben. Die Herausforderung wird sein, die richtige Information an der richtigen Stelle mit der richtigen Zielgruppe zusammen zu bringen und die Customer Journey nicht durch eine technologische Überforderung zu behindern, sondern natürlich zu vermitteln.
Bei antwerpes haben wir bereits im Jahr 2021 erfolgreich virtuelle Kundenworkshops durchgeführt, die für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen nicht nur einen Wow-Effekt bereithielten, sondern auch die Inhaltsvermittlung und die gewinnbringende Vernetzung aller Teilnehmenden forciert haben (und die hat deutlich besser funktioniert als „nur“ via Zoom & Co.).

Neue potentielle Touchpoints im Produktmanagement sind in vielen Formen denkbar – Stichwort Beyond-the-Pill: Von digital vernetzten Kundendaten, eigenen Apps von Kliniken und Versicherungen, über Anwendungen des Eigenmonitorings und der Selbstvorsorge – die in Zukunft enorm an Bedeutung gewinnen werden – und virtuellen Patienten-Communities, die für eine Zunahme an User-generiertem Content sorgen können, bis hin zur Vision einer virtuellen Health City, in der Pharma-Unternehmen, Ärzte und Patienten miteinander interagieren. Eigentlich ein Paradies für das Produktmanagement: Es könnten sich Dinge testen lassen, die nicht ohne weiteres in der realen Welt getestet werden können.

 

Wie kann das Metaverse den Job des Außendienstes verändern?

Die Zukunft des Außendienstes ist digital – das haben wir während der Corona-Pandemie bereits beobachten können und diese Entwicklung wird sich eher noch verstärken. HCPs wollen zeitlich und räumlich flexibel angesprochen und erreicht werden. Darüber hinaus verschwimmen die Grenzen zwischen physischem und digitalem Leben, vor allem in der Generation der jüngeren Ärzte, zunehmend. Die Ansprache muss hier zielgruppenspezifisch und plattformübergreifend erfolgen. Ein Metaverse würde dies ermöglichen: echte Face-to-Face-Gespräche vom eigenen Schreibtisch aus. Wichtig dabei ist, weg vom einseitigen (Telefon-)Kontakt zu kommen, hin zu echten digitalen Kunden-Beziehungen. Dafür gilt es, Erfahrungen für HCPs zu schaffen, die nachhaltig sind. Anwendungsbereiche wären hier Fortbildungsangebote, Kleingruppenevents, Workshops oder 1:1-Gespräche direkt im virtuellen OP-Saal oder am Point-of-Care, bis hin zu sinnvollen Edutainment-Angeboten.

 

Grundsätzlich ist bei all diesen Fragestellungen wichtig zu verstehen, dass man, ob man will oder nicht, Anwendungen für das Metaverse entwickelt, die sozusagen „Off Label“ laufen. Jede VR-Experience, jede Augmented-Reality-Anwendung und jedes 3D-Organ kann zukünftig Teil des Metaverse werden. Es handelt sich hierbei im Prinzip nur um den Schritt von einer proprietären Anwendung mit begrenzter Reichweite hin zum Teil einer Welt, die wiederum mit anderen vernetzt ist.
Das bedeutet: Eine 3D-Experience eines PoC-Diagnostik-Gerätes, die für einen Online-Shop entwickelt wurde, könnte in ein paar Jahren dazu dienen, virtuelle Trainings mit den digitalen Zwillingen von Medizinstudierenden durchzuführen – dann eben nicht via Browser, sondern per VR-Headset (wenn es sowas dann überhaupt noch gibt). 😉

Der erste und zweite Schritt in Richtung Metaverse ist schneller gemacht, als man denkt. Berührungsängste können schnell genommen werden, aber natürlich müssen die Anwendungen konzipiert und entwickelt werden, sodass Aufwände dafür entstehen. Aber wo sonst hat man die Gelegenheit, eine neue Welt zu gestalten und Teil dieser zu werden?

 

Weiterführende Infos:

 

Autor

Thilo Kölzer ist CEO der antwerpes ag und berät Healthcare- und Pharmaunternehmen bei ihrer Digitalen Transformation. Seine langjährige Erfahrung in der digitalen Marketing- und Werbebranche macht ihn zu einem „Internet Explorer“ der ersten Stunde. Digitale Strategien, User Experience, Werbung und Suchmaschinenmarketing gehören ebenso zu seinem Kompetenzspektrum wie aktuelle Themen: Seamless Experience, Marketing Automation, Omnichannel, Virtual Reality, Augmented Reality, Web Apps, Bots und mehr. – Kontakt

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Bildquelle: Midjourney / Prompting: antwerpes

Veröffentlicht: 14. September 2023 // antwerpes


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